Stellungnahme zu Fragen der Medienenquete
Die Unterzeichnenden begrüßen die Initiative der Bundesregierung, ua die Zivilgesellschaft, als dessen Teil sich die Unterzeichnenden verstehen, am medienpolitischen Diskurs teilhaben zu lassen. Dies entspricht einem Demokratieverständnis, das von einer aktiven Teilhabe der Zivilgesellschaft ausgeht und mittlerweile Umfragen zufolge auch von 35% der Bevölkerung geteilt wird. Wir verstehen die Möglichkeit, einen Input zu übermitteln, als Beginn eines Prozesses, in dem noch weitere Möglichkeiten bestehen werden, sich einzubringen.
Wir halten unseren Input daher kurz, zumal die angesprochenen Themen nicht zuletzt aufgrund des sich im Fluss befindenden Wandels sowohl technologisch als auch vom Nutzungsverhalten nicht erschöpfend beantwortet werden können. Wir würden es idS begrüßen, wenn die Bundesregierung Mittel für eine wissenschaftliche Begleitforschung bereitstellt, für die sich Vertreter_innen unterschiedlicher Forschungsansätze bewerben können.
Fragestellung 1: Öffentlich-rechtlicher Auftrag und „Public Value“
Zugang / Public Open Spaces
Wie sollte der öffentlich-rechtliche Auftrag und der gesellschaftliche Mehrwert, den dieser Auftrag gewährleisten soll, in einer zunehmend digitalisierten Welt abgegrenzt, definiert und weiterentwickelt werden?
Bei der Diskussion um Public Value stehen idR Fragestellungen im Vordergrund, welche Inhalte in welcher Form – Stichwort Objektivität und Meinungsvielfalt – angeboten werden sollen. Ohne die Wichtigkeit dieser Aspekte vernachlässigen zu wollen, erscheinen aus wissenschaftlicher Sicht diese Aspekte gut beforscht zu sein und die Ergebnisse bereits über einen hohen Reifegrad zu verfügen.
Der dramatische Wandel der Mediennutzung, der außer bei älteren Publikumsschichten zu einer Ablöse linearer Medien durch non-lineare Formate als Leitmedien geführt hat, erfordert jedoch uE neue Antworten auf die Frage, wie in einer deliberativen Demokratie eine gemeinsame öffentliche
Debatte stattfinden kann. Wie können Bürger_innen ernst genommen werden und ihnen Formen einer zivilgesellschaftlichen Partizipation ermöglicht werden, um so auch den Glauben an das demokratische System zu erhalten.
Zentral dafür erscheint uns die Frage nach dem Zugang, der sich in verschiedene Dimensionen untergliedern lässt. Damit ist beispielsweise universeller Zugang für alle Bevölkerungsteile gemeint, ohne finanzielle oder soziale Barrieren. Das schließt ein, dass nicht nur kommerzielle Formate, sondern auch Non-Profit Anbieter wie der ORF oder nicht-kommerzielle Medien breitenwirksame Inhalte wie Sport und Unterhaltung anbieten.
Zugang schließt uE aber auch den Begriff Open Access ein, der aus der Wissenschaft kommend auch eine Öffnung von Archiven wie etwa dem ORF Archiv umfasst. Diese Forderung ist keine neue und ist verknüpft mit riesigen Herausforderungen im Bereich der Urheberrechte, Wiederholungshonorare etc. Das betrifft nicht nur die Zurverfügungstellung der Inhalte, sondern insbesondere auch, inwiefern diese Inhalte bearbeitet werden dürfen iS einer Remix/Wissenschaftskultur zur Schaffung neuer Kulturgüter und neuem Wissen. In der Wissenschaft hat sich das Konzept „Offener Lizenzen“ durchgesetzt, die jedoch in der bestehenden Verwertungslogik eine gewisse Herausforderung darstellen. Es erscheint daher wichtig, in ersten Pilotprojekten Erfahrungen zu sammeln und aus „best practice“ Beispielen zu lernen, damit nicht beim Versuch, die komplexen Fragestellungen auf einmal zu lösen Jahre vergehen und wir so mit der Umsetzung ins Hintertreffen gelangen.
Klar ist, dass etwa eine Öffnung des ORF-Archivs mit zu dotierenden und nicht unerheblichen Kosten verbunden ist und die Inhalte auch Werte darstellen, die geschützt werden sollten. Eine Möglichkeit dafür besteht darin, die Nutzung von Inhalten mit einer „Share Alike-Verpflichtung“ zu versehen, dh Nutzer_innen müssen so genutzte Werke mit gleichen Lizenzen versehen und damit ebenso einen Beitrag zur Steigerung offenen Wissens leisten.
Die Öffnung von Archiven sollte nicht nur auf den ORF beschränkt sein, sondern etwa durch Kooperationen mit Gedächtniseinrichtungen oder zivilgesellschaftlichen Wissens-Plattformen wie Wikipedia oder dem Cultural Broadcasting Archive (http://cba.fro.at) zu einer Stärkung der Wissenskultur beitragen.
Gerade die Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Einrichtungen wie zB auch den Community Medien, die über viele Erfahrungen mit Offenen Lizenzen aber auch mit Teilhabe verfügen, kann zum Aufbau eines weiteren wesentlichen Public Values beitragen, der mit Zugang, Interaktion und Partizipation im Zusammenhang steht. Durch die Digitalisierung steht Rezipient_innen ein „Rückkanal“ zur Verfügung, der erlaubt, selbst Inhalte zu erstellen, zu bearbeiten oder zu kommentieren und diese einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Die Bereitstellung dieser Möglichkeiten ist im Rahmen eines modernen partizipativen Demokratieverständnisses essentiell, die massive Nutzung interaktiver Plattformen wie Facebook, YouTube etc zeigt, wie groß hier der Bedarf ist. Dafür ist es erforderlich, dass die digitalen Schranken für den ORF, auf solchen Plattformen Inhalte auszubringen, ebenso wie die antiquiert anmutende 7-Tage-Regel aufgehoben werden.
Die Strategie, auf bestehenden marktbeherrschenden Plattformen Inhalte auszubringen, um das Publikum zu erreichen, wo es ist, darf jedoch keine Einbahnstraße bleiben. Es bedarf des Aufbaus eigenständiger Plattformen – „Public Open Spaces„. Nur so können wir den beschriebenen Anforderungen – unabhängig von Geschäftsmodellen, die auf weitgehend unkontrolliertem Verkauf personenbezogener Daten basieren – gerecht werden. Dies setzt den Aufbau von an die Anforderungen angepassten Suchfunktionen, Public-Value–Vorschlagsystemen (Algorithmen), offenen Schnittstellen udgl voraus.
Die Austria Video Plattform kann als erster Schritt in die richtige Richtung erachtet werden, allerdings steht es wohl im Widerspruch zum Gleichbehandlungsgebot, dass für Gebührenzahlende kein direkter Zugang besteht, sondern soweit ersichtlich eine APA-Gesellschafterstellung vorausgesetzt wird. Unklar ist auch, ob das Entgelt für die Weiterverwendung des vom ORF zur Verfügung gestellten Contents einer beihilfenrechtlichen Prüfung standhält. Letzterem könnte durch offene Lizenzmodelle begegnet werden, die Gleichbehandlung setzt eine offene Schnittstelle voraus.
Fragestellung 2: Finanzierung und Förderung
Der österreichische Medienmarkt steht vor großen Herausforderungen: Es ist ein kleiner Markt, der aufgrund der gemeinsamen Sprache eng mit dem zehnmal so großen deutschen Markt verknüpft ist. Wie soll und kann zukunftsfähige Medienfinanzierung aussehen?
Das Entwickeln von Plattformen iSv Public Open Spaces setzt eine Finanzierung voraus, die eine Förderung durch die öffentliche Hand braucht, da dieser Auftrag Geschäftsmodelle wie Datenhandel ausschließt. Will man gegen Wettbewerber wie Facebook, YouTube & Co antreten, wird eine österreichische Lösung jedoch zu klein sein. Wir verweisen idZ auf die Diskussion um einen European Public Open Space, dafür wird die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen notwendig sein.
Dass Public Value einer öffentlichen Finanzierung bedarf, setzen wir voraus. Zur aktuellen „Gebührendebatte“ ist festzuhalten, dass nach dem europäischen Beihilfenrecht Rundfunkgebühren keine staatlichen Gebühren darstellen und daher beihilferechtlich die Europäische Kommission zwar befugt ist, die Einhaltung des öffentlich-rechtlichen Auftrags zu überprüfen, diese Finanzierung jedoch nicht einer wettbewerbsrechtlichen Prüfung unterziehen darf. Es bleibt den nationalen Stellen überlassen, den Auftrag zu definieren und den wettbewerbsrechtlichen Rahmen vorzugeben.
Eine Budgetfinanzierung hieße daher, die Definition des nationalen Kultur- und Bildungsauftrages dem Risiko einer wettbewerbspolitischen Kontrolle durch die Europäische Kommission auszusetzen. Der Vorteil, der sich aus einer Budgetfinanzierung ergeben soll, erschließt sich nicht wirklich.
Zum System der Medienförderung wird auf das Positionspapier zur Reform der Medienförderung der Plattform #mediana17 verwiesen, das in wesentlichen Zügen seine Geltung nicht verloren hat.
(Vgl. https://mediana.at/wp-content/uploads/sites/2/2017/05/Positionspapier_170505.pdf)
Fragestellung 3: Digitalisierung und Demokratie
Die Digitalisierung – insbesondere der Erfolg sozialer Netzwerke und des Smartphones – verändert den gesellschaftlichen Diskurs und die mediale Öffentlichkeit rasant. Was kann zeitgemäße Medienpolitik zu sachlicher und unaufgeregter Kommunikation und Information beitragen?
Um einen demokratischen Diskurs auf den bestehenden Plattformen sicherzustellen, braucht es uE regulatorische Eingriffe. Themen wie Falschmeldungen alleine durch die Selbstregulierung privater Unternehmungen – etwa durch Upload-Filter – zu begegnen, führt zu einem System der privaten Rechtssetzung, das wir ablehnen. Um Strafen zu vermeiden, neigen Unternehmen naheliegenderweise dazu, eher zuviel als zuwenig zu filtern. Dies führt zu einer Einschränkung der
Vielfalt und setzt mittelfristig Plattformen dem Vorwurf der Zensur und der Elitendiktatur aus, womit niemandem gedient ist.
Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Thematik Plattformregulierung, insbesondere wie das Hostproviderpinzip im Einklang mit der Grundrechtssprechung der euopäischen Gerichte gestaltet werden kann, finden Sie in einem Positionspapier der Plattform #mediana17 unter https://mediana.at/wp-content/uploads/sites/2/2017/06/Positionspapier_Regulierung-sozialer-Netzwerke_170611fin.pdf
Erstunterzeichner:
#mediana18, Creative Commons Österreich, Open Knowledge Foundation, Verband Freier Radios Österreich, Verband Community TV Österreich, Cultural Broadcasting Archive, worldinformation.org, fairkom Gesellschaft Dornbirn
Die Stellungnahme als pdf: STN_mediana_Medienenquette_2018